Geiselnahme in Vacha unblutig beendet - Täter auf freiem Fuß
Nach dem unblutigen Ende einer Geiselnahme am Dienstagmorgen in Vacha im Wartburgkreis ist der Täter wieder auf freiem Fuß. Da keine Haftgründe vorlägen, werde auch kein Haftbefehl gegen ihn erlassen, sagte Staatsanwalt Thomas Waßmuth in Meiningen. Nach einem Streit mit seiner 30 Jahre alten Ehefrau am Montagabend hatte der 44 Jahre alte, bewaffnete Mann seine ein Jahr alte Tochter aus der gemeinsamen Wohnung geholt und sich mit ihr in einem Gartenhaus verschanzt. Er habe zwar das Kind mitgenommen, es aber nicht als Drohmittel eingesetzt, erklärte Waßmuth.
VACHA – Der Familienvater und seine 14 Jahre jüngere Ehefrau geraten am frühen Montagabend in Streit. Begünstigt durch gemeinsamen Alkoholkonsum schaukelt sich die Situation hoch, bis sie gegen 20 Uhr eskaliert: Der Mann schnappt sich seine einjährige Tochter und droht der Ehefrau unter vorgehaltener Pistole, sich und dem Kind etwas anzutun. Er verlässt mit dem Mädchen die Wohnung und macht sich auf den Weg zur Gartenlaube der Familie, zirka zwei Kilometer vom Wohnhaus entfernt in der „St.-Annen-Gartenanlage“. Unterwegs begegnet er einigen Leuten, denen nicht mehr auffällt, als dass er etwas außer Atem war. „Er schnaufte“, erzählt ein Mann.
Die Ehefrau alarmiert die Polizei. Beamte fahren sofort zum Gartenhaus, wo sich der Mann mit seiner Tochter verschanzt hat. Sie fordern Verstärkung an. Kurz darauf ist das Gartengrundstück von zirka 20 Beamten eines Sondereinsatzkommandos umstellt. Da zu befürchten ist, dass der Mann das Häuschen anzündet, wird die Feuerwehr in Alarmbereitschaft versetzt.
Um das Kind nicht zu gefährden – der 44-Jährige hatte auch gedroht, jeden, der sich dem Gartenhaus nähert, zu erschießen – halten sich die SEK-Beamten bis in die Nacht zurück. „Alles lief sehr ruhig ab“, erzählt ein Zeuge. Erst in den frühen Morgenstunden greifen die Kriminalspezialisten zu: Um 2.45 Uhr brechen sie die Tür der Hütte auf und überwältigen den Mann, ohne ihn zu verletzen. Er lässt sich widerstandslos festnehmen.
Das Kind ist ebenfalls unverletzt, wird aber vorsorglich zur Beobachtung in das Klinikum Bad Salzungen gebracht. Nach seinen Erkenntnissen, sagte Eberhard Wagner, Sprecher der Suhler Polizeidirektion, gehe es dem Kind und der Mutter den Umständen entsprechend gut.
Gestern Nachmittag wurde der 44-Jährige aus dem Polizeigewahrsam nach Hause entlassen. Bei seiner Vernehmung sei klargeworden, dass er nicht die Absicht hatte, einen Menschen zu töten. Die Sache sei aus dem Ruder gelaufen, der Mann habe nicht gewollt, dass es so weit kommt. Deshalb sei kein Haftbefehl gegen ihn erlassen worden, so Wagner. Gegen den Mann werde nun wegen Bedrohung und versuchter Nötigung ermittelt.
Für Vachas Bürgermeister Frank Pach ist die Sache „unbegreiflich“. Er hat die Nacht bei der in Alarmbereitschaft versetzten Feuerwehr verbracht. Er kenne die Eheleute. Sie waren von der Stadt als Ein-Euro-Jobber angestellt. „Sie waren fleißig und sind nie unangenehm aufgefallen. Das war keine Familie, bei der man etwas von täglichen Streitigkeiten gehört hätte“, sagt er. „Aber es gibt Dinge im Leben des Menschen, die nicht immer nachvollziehbar sind.“ Der Bürgermeister kann sich nicht vorstellen, dass der 44-Jährige seinem Kind etwas antun wollte, ansonsten wäre er seiner Meinung nach auch nicht so schnell wieder freigelassen worden. „Das war eine Kurzschlussreaktion“, vermutet Frank Pach.
Von der betroffenen Familie war gestern außer dem Bruder des 44-Jährigen niemand zu erreichen. Eine Frage zu den Geschehnissen der vergangenen Nacht beantwortete er nur mit einem Satz: „Ohne unsere Anwälte sagen wir nichts.“
Vor einem Jahr war das kleine Mädchen zur Welt gekommen. Seitdem sei es in der Beziehung des 44-Jährigen und seiner 14 Jahre jüngeren Ehefrau ruhig zugegangen, berichten die Nachbarn. Von dem, was sich in der Nacht zuvor in dem Mietshaus abspielte, hat keiner etwas mitbekommen. Ein älterer Herr hatte lediglich um 22 Uhr, als er ins Bett gehen wollte, bemerkt, dass vor dem Haus Polizei stand, „mehr nicht“. Was war, habe er erst am Morgen erfahren, „da kamen die Beamten und haben uns befragt“. Das Paar lebe seit mehreren Jahren zusammen, kurz bevor das Baby kam, hätten sie geheiratet. Und seien immer angenehme Nachbarn gewesen, sagt der Rentner – auch wenn sie „mitunter Alkohol getrunken“ hätten. Die beiden seien arbeitslos, aber der Mann sei immer fleißig und halte den kleinen Vorgarten vor dem Haus in Schuss. „Er ist ein Wühler.“
Ja, das Gärtchen sei sehr gepflegt und auch die Frau sei sehr ordentlich, sagt eine Nachbarin, „da gibt es überhaupt nichts auszusetzen“. Die Wohnung der Familie sei „immer picobello sauber“ und die Kleine immer ordentlich gekleidet. Das Paar sei „eigentlich immer ein Herz und eine Seele, nur wenn sie Alkohol trinken ...“, sagt die ältere Dame und winkt ab. Von dem, was in der Nacht geschah, habe sie nichts mitbekommen, „ich hatte eine Schlaftablette genommen – und dann gehe ich frühs nichtsahnend raus und da stehen drei Polizisten“. Sie sei „erschrocken über das, was er mit der Kleinen gemacht hat“. Das Kind sei sein „Ein und Alles“ gewesen. „Er hat sich von Anfang an um die Kleine gekümmert, hat sie gewickelt, hat alles gemacht.“
Kaum jemand hat in dem kleinen Rhönstädtchen etwas von dem Drama mitbekommen. Ein junges Paar, das nachts noch unterwegs war, hat gegen 2.30 Uhr zwar „den Polizeiauflauf“ registriert, „was los war, haben wir aber erst heute Morgen im Radio gehört“ – so wie die meisten Vachaer. Die Familie sei nicht auffällig gewesen, sagte eine junge Frau. „Ich habe sie immer beim Einkaufen gesehen, die Eltern waren immer mit dem Kind zusammen.“ Es gebe „sicher überall mal Ärger“, sagt sie. Traurig sei das Ganze nur für das „Kindchen“, das „sehr aufgeschlossen“ sei. „Gott sei Dank, dass weiter nichts passiert ist.“
Dass der 44-Jährige vorbestraft ist, wie sich einige Leute in Vacha erzählen, stimmt nach Angaben von Eberhard Wagner nicht. „Der Mann ist bisher polizeilich nicht in Erscheinung getreten.“ (bf)
Quelle
Der Geocache Ruine St. Annen
ist nur ein paar Meter davon entfernt. :shock: